Bericht aus der Main-Post vom 02.07.2019

Berufskraftfahrer: Wo Mangel herrscht, braucht es Ideen

 

azubi

 

Lkw-Fahrer ist ein Mangelberuf. Das ist seit Ende vergangenen Jahres amtlich. Das Bundesverkehrsministerium rechnet bis 2030 mit einem Zuwachs der Güterverkehre um rund 30 Prozent. Auf die Straße als Hauptverkehrsträger entfallen davon fast drei Viertel. Wer also soll die vielen Lkw verantwortungsvoll und gut ausgebildet fahren, wenn es schon jetzt kaum Nachwuchs gibt für die Branche?

 

Weniger Lkw-Fahrer seit Wegfall der Wehrpflicht
Dieses Dilemma kennt Peter Kohlhepp nur zu gut. Der Spediteur aus Albertshausen bei Bad Kissingen hat mittlerweile gehandelt. Er bildet Berufskraftfahrer nicht nur selbst aus, sondern hat seiner Spedition auch eine Fahrschule für Berufskraftfahrer angegliedert. "Das war alternativlos!", sagt der Unternehmer. "Je weiter man in Deutschland nach Süden kommt, desto weniger Berufskraftfahrer gibt es", weiß Kohlhepp. Eine Ursache macht er in der Abschaffung der Wehrpflicht aus. Laut dem Gesamtverband Verkehrsgewerbe braucht es bundesweit 40 000 neue Fahrer. 10 000 werden von den Fahrschulen ausgebildet - und bis 2010 kamen jährlich noch 15 000 aus der Bundeswehr dazu. Die fehlen jetzt. Und beschleunigen das Problem enorm, so der Verband.

"Natürlich gründet man eine Fahrschule nicht einfach so nebenbei. Da entstehen Kosten." Kohlhepp, der die Spedition als Familienunternehmen in der vierten Generation führt, verweist auf Fahrschulleitung, Verwaltung, Marketing, Zertifizierung, Ausbildungsfahrzeuge und -Technologie. "Der Aufwand ist enorm. Das muss sich irgendwann rechnen", gibt er vor.

 

Internationale Vorgaben
Vier Azubis hat Kohlhepp momentan in Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Die dauert drei Jahre. Viktor Holstein ist einer davon. Der 19-Jährige hatte schon als Junge Riesen-Spaß an großen Fahrzeugen. "Da habe ich mich schnell beworben", so der Schweinfurter. Fahrschulleiter Roland Speth sitzt mit seinem Azubi im Führerhaus. Vier bis fünf Wochen hat er noch bis zur Prüfung. Danach hat Holstein die Qualifikation, um Lkw zu fahren. "Allerdings nur in Deutschland. Wenn man EU-weit unterwegs sein will, muss man 21 Jahre alt sein", erklärt Speth die internationalen Vorgaben.

 

Dorothee Beer 

 

Auch im ersten Lehrjahr zum Berufskraftfahrer ist der ebenfalls 19-jährige Afghane Darwesch Amrullah. Der Migrant kommt aus Leipzig, macht in Albertshausen seine Ausbildung und geht in Leipzig zur Berufsschule. "Unsere hiesigen Azubis müssen nach Kulmbach oder Zella Mehlis zum Blockunterricht", erklärt Speth. Der Fahrlehrer weiß, dass er für die Spedition auch liefern muss. "Ich kenne den Kostendruck. Wir müssen die Azubis sicher zur Prüfung bringen." Schließlich koste ein Lkw-Führerschein mit allen Qualifikationen zwischen 6000 und 10 000 Euro. Und zu den Qualifikationen zähle nicht nur sicheres Fahren und Rangieren, ein Berufskraftfahrer müsse auch technisches Verständnis und tatkräftiges Anpacken mitbringen, so Speth. Und: "Wir sehen genau, wer wo seine Stärken hat!"

 

Für Kunden sehr gutes Personal vorhalten
Auch das hat Unternehmer Kohlhepp bewogen, eine Fahrschule in seiner Spedition zu integrieren. "Wir kennen unsere Azubis, haben jederzeit die Möglichkeit individuell auf sie einzugehen. Schließlich wollen wir für unsere Kunden sehr gut ausgebildetes Personal vorhalten. Das ist das beste Marketing für unser Unternehmen", so Kohlhepp. Zudem können die Fahrschulzeiten flexibel mit der übrigen Ausbildung abgestimmt werden. "Das spart Zeit und Geld", rechnet Kohlhepp senior vor. Auch seine beiden Kinder Martina und Benedikt arbeiten als fünfte Generation in Verwaltung und Disposition im Unternehmen mit - und machen ihren Lkw-Führerschein.

"Unsere Arbeitskapazität liegt momentan mit 50 Prozent bei der Personal-Akquise. Wir bieten speziell für Schüler den sogenannten Duo-Beruf an", so Kohlhepp. Ein Schüler unter 17 Jahren, der Berufskraftfahrer werden möchte, macht erst eine zweijährige Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik, bevor er noch zwei Jahre die Ausbildung zum Berufskraftfahrer vollendet. "So haben die Azubis nach vier Jahren zwei Berufe in der Tasche. Zum Gehalt erhalten sie eine Zusatzvergütung und den Führerschein der Klassen B und CE", erläutert Kohlhepp. Er führt auch die flexiblen Arbeitszeiten seiner Mitarbeiter an, die verlängerte Wochenenden oder wochenweise Abfeiertage beinhalten.

"All dies wird  den Fachkräftemangel nicht nachhaltig beheben, zumal auch der EU-Arbeitsmarkt kaum noch Fachkräfte bietet." Kohlhepp hat sich nun in Serbien umgesehen. Dort hat er 30 Fahrer unter Vertrag genommen. Allein es fehlt der formale Visa-Termin. "Ich hoffe, dass das in ein paar Wochen geregelt ist!" Dann können die Lkw, die auf seinem Hof stehen, wieder bewegt werden. Und Fahrlehrer Speth hat viele neue Schüler für die Modul-Ausbildung.


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